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74. Prozesstag: 16. Mai 02
Die ZeugInnen können sich auch vieles nicht
erklären
Die beiden geladenen Zeugen, der Staatsanwalt Monka und die ehemalige
BKA- Beamtin Janin Pankock, konnten sich viele ihrer Aktivitäten
(und deren Folgen) auch nicht richtig erklären: der inzwischen
zum Gruppenleiter beförderte Bundesanwalt Monka nicht, wie
ihm das 'Versehen' beim unvollständigen Zusammentragen der
Ermittlungsunterlagen unterlaufen konnte - die Polizistin nicht,
warum ihre Ermittlungsergebnisse nicht verwendet wurden bzw. aus
welchen Quellen sie ihr Wissen bezogen hatte. Bei den sechs anwesenden
VertreterInnen der Öffentlichkeit auf den ZuschauerInnenbänken
wechselten sich ungläubiges Kopfschütteln und ironischen
Gelächter ab. Nur die Hochsicherheitskontrolle beim Einlass
wird weiter unbeirrt vollstreckt, ist doch alles immer noch sehr
gefährlich ...?
Ich habe nichts gelesen
Janin Pankock, 32 Jahre alt, ehemalige Beamtin im Bundeskriminalamt
(BKA) und inzwischen Polizistin in Koblenz, war angeblich seit Mitte
1998 mit Recherchen zum RZ- Komplex betraut worden. Als unmittelbare
Mitarbeiterin der Ermittlungsführer Schulzke und Trede will
sie vorrangig mit Auswertungsarbeiten, z.B. der Telefonüberwachung
und von Asservaten befasst gewesen sein. Aber auch die Hausdurchsuchung
beim Angeklagten Harald G. am 19.12.99 habe sie tatkräftig
mitgestaltet. U.a. eine Motorradkombi und -stiefel, einen Scanner,
ein Diktiergerät und persönliche Notizen will sie dort
sichergestellt haben. Dabei habe sie auch linksorientierte Literatur
beschlagnahmt, aber nicht darin gelesen, betonte sie unaufgefordert.
So wäre sie vorher angewiesen worden.
'Heiner' ist aber auch einer ...
Rechtsanwalt Kaleck befragte sie dann ausführlicher zu ihren
Ermittlungen über das angebliche RZ- Mitglied mit dem angeblichen
Tarnnamen 'Heiner'. Ihr Anfangsverdacht, die gesuchte Person könne
Harry St. sein, hätte sich im Laufe ihrer Arbeit verdichtet.
Der soll u.a. führendes Mitglied einer vierköpfigen Kreuzberger
Knastgruppe gewesen sein, die inhaftierte HausbesetzerInnen unterstützt
hätten. Die Quelle dieser (und weiterer) Erkenntnisse konnte
die Zeugin nicht benennen. Z.B. wer die Observation eines Anti-
Kriegsauschusses im Mehringhof veranlasste und mit welchem Ergebnis.
Auf Vorhalt bestätigte sie aber immerhin, dass gemeinsame Besprechungen
mit dem Landeskriminalamt (Mobiles Einsatz Kommando - Bereich Aufklärung)
und dem Bundesamt für Verfassungsschutz geführt worden
seien. Trotz deutlicher Indizien sei diese 'Heiner'- Spur vom BKA
plötzlich nicht weiter verfolgt worden. Angeblich einziger
Grund dafür: der Kronzeuge hätte bei einer Lichtbildvorlage
diese vermutete Personenübereinstimmung mit Harry St. nicht
positiv bestätigt. Direkt dazu gefragt worden wäre er
nicht, genauso wenig wie die Recherche damals abgeschlossen worden
sei. Tatsächlich aber wären die Ermittlungen dann nur
noch nach Mousli's Personenbeschreibung und seinen ergänzenden
Angaben ausgerichtet worden. Diese hätten schließlich
- u.a. über ein MitarbeiterInnenverzeichnis der TU, das Landeseinwohneramt
(LEA) und eigene Observationen - zum Angeklagten Matthias B. geführt.
Eine dafür von ihr neu zusammengebastelte Fotomappe mit 51
Personenbildern sei am 20.01.2000 erstmals bei Mousli's Vernehmung
verwendet worden. Das darin angeblich bereits enthaltene Foto des
Angeklagten Matthias B. sei aber erst am 25.01.2000 vom LEA angefordert
worden, hielt ihr Rechtsanwalt Kaleck vor. Stotternd war etwas über
einen möglichen Schreibfehler von der Zeugin zu vernehmen.
Auch von der Führung einer fortlaufenden Lichtbildkartei war
nun plötzlich die Rede, der später neue Fotos zugefügt
worden sein könnten oder so .......... Über alle diese
zuletzt genannten Ermittlungsschritte fänden sich aber nun
wiederum keinerlei bestätigende Angaben in den Prozessakten,
so Rechtsanwalt Kaleck. Er beklagte, dass der Verteidigung zum wiederholten
Male nicht alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stünden
und beantragte deren Beiziehung, auch aus anderen offensichtlich
beteiligter Behörden..
Als sich Rechtsanwalt Becker der Kritik anschloss, entfuhr es der
Vorsitzenden Richterin empört: "Sie haben es gerade nötig,
Herr Becker!", dieser hätte schließlich das Gericht
gerade dafür gerügt, dass aller mögliche 'Schwund'
herumgefaxt würde ..... das Startsignal für das übliche
juristische Imponiergehabe.
Ein Mann von Ehre
Der Bundesanwalt Monka war nach der Mittagspause erneut geladen.
Der 37jährige Beamte, nach eigenem unbescheidenen Hinweis inzwischen
zum Staatsanwalt- Gruppenleiter hochdekoriert, versuchte die Rolle
des untadligen und über jeden Zweifel erhabenen Verfechters
der Rechtsstaatlichkeit auszufüllen. Entsprechend übernahm
er anstandslos mit nahezu ritterlicher Ehre die Verantwortung für
die unterlassene Weiterleitung der Unterlagen der Telekommunikationsüberwachung
(TKÜ) des Kronzeugen ab August 1999. Trotz dieser klugen Vorneverteidigung,
das erhoffte Abwürgen aller weiteren Fragen zum Hintergrund
dieser Affäre wollte ihm nicht ganz gelingen. Verteidiger Euler
entlockte ihm, dass er sich bei der Aktenüberstellung auf die
Vorarbeit des BKA verlassen und die Vollständigkeit der Bände
nicht erneut detailliert überprüft hätte. Auch hätte
er beim Verfassen der Anklageschrift für das Verfahren gegen
den Kronzeugen selbst, im Dezember 2000, keine Angaben aus der TKÜ
verwendet. Deshalb hätte er auch keinen Anlass gehabt von sich
aus über die Fortführung der TKÜ nach Mousli's erster
Freilassung in dieser Hauptverhandlung zu berichten. Den im Raum
schwebenden Vorwurf des Vorsatzes wies er mit großer Geste
als ehrenrührig ab. Zwar spät, aber es kam noch, das kurze
Zucken, als der Verteidiger auf die eigenartige Duplizität
hinwies, dass beim Ermittlungsführer Schulzke nun ausgerechnet
eine parallele Erinnerungslücke klaffte. Der hatte nämlich
von einer Fortsetzung der TKÜ auch nicht von alleine berichtet,
ganz zu schweigen von den vorenthaltenen Akten. Auch wäre die
Materiallücke durch ein obenliegendes Inhaltsverzeichnis eigentlich
nicht zu übersehen ... Der Zeuge räumte weiter ein, dass
ihm bei der Erstellung der Anklageschrift seine BAW- Kollegen Homann
und Griesbaum zur Hand gegangen seien, z.B. bei der Erstellung der
Beweismittellisten in denen die fehlenden TKÜ- Protokolle hätten
vermerkt werden müssen. Immer diese dummen Zufälle, dass
ausgerechnet jener Homann auch in diesem Verfahren die BAW vertritt.
Wir von der BAW sind so veranlagt!
Befragt zu den Telefongesprächen, vor der Aufnahme des Kronzeugen
und seiner Lebensgefährtin Frau O. in das Zeugenschutzprogramm,
konterte der Gruppenleiter geschickt mit einem Verweis auf seine
früheren, beeidigten Aussagen vor der dem Strafsenat. Rechtsanwalt
Euler konnte sich zumindest bestätigen lassen, dass Frau O.
ihren Freund vor der zweiten Verhaftung für unschuldig hielt.
Er hielt Monka weiter vor, dass bei den o.g. Telefonaten auf frühere
Gespräche über die Möglichkeit des Zeugenschutzes
Bezug genommen worden sei. Doch wenn sie Tarek Mousli bis dahin
für unschuldig hielt, wer hat dann schon vorab mit ihr über
Schutzprogramme verhandelt und warum?? "Wir sind so veranlagt,
dass wir alle Gespräche in ordentlichen Aufzeichnungen festhalten!"
beschied der 'aufrechte' Beamte. Deswegen ist die BAW ja auch landauf,
landab so überaus beliebt [Anm. des Autors].
Abschließende Nachfragen zum Sprengstoff- Fund im Seegraben
und den widersprüchlichen Angaben zu den verschiedenen Versionen
der RZ- Sachstandsberichten des BKA aus dem August 1999 blieben
unbeantwortet. Elegant wies der Staatsanwalt- Gruppenleiter Monka
auf das Fehlen einer entsprechenden Aussagegenehmigung hin. Sekundiert
von der Vorsitzenden Richterin, die sich auf eine Befragung erst
vorbereiten müsse. Also den Zeugen sehen wir noch einmal. Auch
die BKA- Beamten Barbian und Trede, wenn es nach dem Willen der
Verteidigerinnen Würdinger und Studzinsky geht. Die
beantragten zum selben Thema deren erneute Vorladung.
Der Tag endete mit einem typischen Beschluß des Gerichtes:
die von der Verteidigung der Angeklagten Sabine E. beantragte Aussetzung
der Hauptverhandlung wurde abgelehnt. Die mögliche Ausweitung
der Tatvorwürfe auf Rädelsführerschaft ihr gegenüber
stelle keine neue Sachlage dar.
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